Die Brücke von Mostar
Er springt...er springt nicht...er springt!
01.08.2013 - 01.08.2013
31 °C
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Round-The-World 2013-2014
auf Tom Travel's Reise-Karte.
Gut 300km Strecke habe ich heute auf dem Programm. Es geht raus aus der EU nach Bosnien-Herzegowina. Ich habe mir die Route durch die Berge ausgesucht, denn noch mal die Küste entlang will ich nicht und Autobahn schon gar nicht. Harley quält sich mit 30-40km/h die Pässe hoch. Die Aussicht ist grandios und den Umweg allemal wert – wenn man es nicht eilig hat.
Der Grenzübertritt war völlig reibungslos. Es werden nur wieder die üblichen Witzchen wegen meinem Nachnamen gemacht. Die Grenzbeamten auf der ganzen Welt sind doch alle gleich. Die Fotos die ich von der Grenze gemacht habe gibt es nicht mehr – die Geschichte dazu folgt später im Text.
Jetzt bin ich also in BiH – so kürzen die den Ländernamen hier ab. Wofür das “i“ steht habe ich noch nicht heraus gefunden. Obi gibt es, aber kein Aldi oder Lidl. Sprit ist etwas billiger, aber hier wie schon in Slowenien gibt es zwar riesige Anzeigetafeln für die Preise, doch selten steht auch was drauf. Man erfährt erst an der Säule was es kostet. 1,20€ - da tanke ich gleich mal voll. Billiger wird es nirgends.
All jenen die der D-Mark nachweinen kann ich nur sagen: Kommt nach BiH, hier zahlt man damit. Nennt sich zwar K-Mark und sie haben ihre eigenen Scheine gedruckt, aber der Wert entspricht exakt der guten alten Deutschmark.
Gegen 3 Uhr Nachmittag komme ich in Mostar an. Die Altstadt hier ist ein Touristenmagnet. Im Zentrum die alte Brücke. Wirklich extrem fotogen. Ich bin nur aus einem einzigen Grund hier. Vor Jahren sah ich einen TV-Bericht über Einheimische die als Mutprobe von der Brücke ins eiskalte Wasser der Neretva springen.
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Vor ein paar Wochen habe ich im Internet recherchiert und erfahren, dass man für 25€ auch als Nicht-Clubmitglied springen kann. Es gibt angeblich einen Divers-Club bei dem man sich für seinen Sprung anmelden kann. Mein erster Weg führt mich also zur Brücke auf der Suche nach den Jungs vom Club. Das ist der Blick von Oben nach Norden.
So sieht es südlich der Brücke aus. Die Zuschauerränge sind jetzt am Nachmittag noch wenig gefüllt.
Und das ist der Grund warum ich hier bin. Zuerst von der Seite,
dann auch mal von unten.
Ein Einheimischer, den ich nach dem Weg gefragt habe sagt mir allerdings, dass man nicht mehr springen darf, weil es auch dieses Jahr wieder Verletzte gegeben hat.
Gut dass er falsch informiert ist, denn der Chef der Truppe meint: “Kein Problem, du kannst springen.“
Es gab bisher 5 Tote und einen Vermissten in 9 Jahren. Drei sind auf den Rücken gefallen und bei den anderen 2-3 war es wohl der Kreislauf und das kalte Wasser bzw. die Strömung. Er fragt mich noch welche Höhen ich schon gesprungen bin.
"So 15m, schätze ich. Allerdings springe ich immer Kopf voraus."
Davon rät er mir heftig ab.
"Das macht keiner hier. Ein wenig falsch der Eintauchwinkel und dein Genick bricht."
Gut, er muss es wissen. So einigen wir uns auf einen Fuß-Sprung. Damit habe ich leider gar keine Erfahrungen. Was sich später rächen wird.
"Wann kann ich denn springen?" frage ich und denke mir dass es erst Morgen gehen wird.
"Von mir aus jetzt gleich", sagt er.
Ich schlucke erst mal schwer - "Jetzt gleich?"
Er zeigt mir das große Buch in dem sich jeder Gast-Springer eintragen darf. Nummer 851 wäre ich. 850 Springer in 9 Jahren - heute wäre ich der vierte. Zwei haben im letzten Moment gekniffen.
“Ermm...Na gut, dann hole ich mal mein Zeug.“
Das 10°-kalte Wasser macht mir am meisten zu schaffen. Deswegen radle ich zurück zum Auto und hole meinen 3-mm-Neopren vom Dachkoffer. Dann steige ich nochmal kurz ins Auto um etwas zu trinken. Das Fahrrad mit der Kameratasche steht draußen. Als ich zum Auto kam, war auf dem Parkplatz kein Mensch zu sehen. Als ich wieder aussteige sieht zunächst alles normal aus – bis ich die Kameratasche anhebe. Nanu? Die ist aber leicht geworden. Ein Blick hinein und das Debakel nimmt Formen an. Kamera und Tele-Obejektiv sind weg. Der Dieb hat sich tatsächlich die Zeit genommen in die Tasche zu schauen und nur das Wertvolle mitzunehmen. Die Kamera, die ich noch in Buenos Aires wie ein Löwe verteidigt habe, nun achtlos 1 Minute auf dem Parkplatz stehen gelassen und weg ist sie. “Selbst schuld“, muss ich da sagen. Ich bin durch den Aufenthalt in Kroatien zu sorglos geworden. BiH ist eben nicht Kroatien.
Für einen Moment vergeht mir alles. Ich will eigentlich nur schnell weg hier. Aber da ist ja noch der Sprung wegen dem ich her gekommen bin. “Jetzt erst recht!“, denke ich mir.
Aber halt! Ich brauche Fotos von meinem Sprung. Ich hätte jemanden mit dem Galaxy-Tablet Fotos machen lassen können, aber ich war so sauer und nervös – das ist mir erst später eingefallen. In einem kleinen Fotoladen kaufe ich eine Billig-Point'n'Shoot und fahre wieder zur Brücke.
Ich bin ganz froh, dass es heute schon passiert, das wäre sonst eine schlaflose Nacht geworden. 21m, das ist doch erheblich höher als alles was ich bisher gesprungen bin. Ich gehe mit dem Chef der Springertruppe nochmal alles durch. Ich habe am meisten Bedenken am Grund des Flusses aufzuschlagen und frage ihn ob es möglich ist, dass man den Boden berührt. Noch nie hat er oder ein anderer es geschafft den Boden des Flusses zu berühren. Das beruhigt mich. Nicht einmal jetzt bei Niedrigwasserstand sei das möglich. Der Fluss sei jetzt 6m tiefer als normal.
“Ja Moment mal - das heißt nun sind es 27m und nicht 21m von der Brücke bis zur Wasseroberfläche!“ “Genau so ist es“, sagt er. “Kostet aber auch nicht mehr.“ Witzbold! 6m mehr Fallhöhe zum gleichen Preis? Da muss man doch zuschlagen, das ist ja quasi ein Schnäppchen.
Da stehe ich nun mit meinem Neoprenanzug auf der Brücke. 100 Leute schauen mir zu, ins Buch habe ich mich auch schon eingetragen.
(ich will keiner der durchgestrichenen Einträge werden).
Der Blick nach unten. “Hm, 27m kommt hin“. Vor ein paar Tagen war ich in Zadar auf einem Turm dessen Plattform in 28m Höhe war, das sah etwa genau so aus.
Ein Zurück gibt es nicht. Ein Blick nach rechts zum Fotografen um zu sehen ob er bereit ist. Ist er, na dann bin ich auch bereit.
Das Ziel unten anvisiert und los geht es. Der freie Fall dauert nur gut 2 Sekunden, kommt mir aber viel länger vor.
Anfangs läuft noch alles prima, aber im letzten Drittel kippe ich ein paar Grad weg von der Senkrechten nach hinten.
“Nicht gut! Das wird gleich weh tun“ denke ich noch.
Tut es auch. Das Eintauchen fühlt sich wie ein heftiger Aufprall an. Die Beine kommen noch gut rein, aber dann sitze ich praktisch mit voller Wucht mit dem Hintern auf der Oberfläche ab. Man ist länger unter Wasser als in der Luft und ich habe genug Zeit für eine Schadensaufnahme auf dem Weg zur Oberfläche. Am schlimmsten hat es mein Steißbein erwischt, das sich gerade vom Antarktis-Ausrutscher erholt hatte. Als ob mir ein Pferd in den Hintern getreten hätte. Jetzt kann ich wieder wochenlang nicht sitzen.
Als ich an die Oberfläche komme schauen die beiden Profis, die unten zur Absicherung auf mich gewartet haben, sorgenvoll. Die wissen, dass so eine Landung weh tut. Ich kann aber ohne Probleme zum Ufer schwimmen und wieder nach oben ins Clubhaus gehen um meine Urkunde in Empfang zu nehmen. Auf dem Weg gibt es Schulterklopfen und High-Fives der Zuschauer.
Ich trinke noch ein Bier mit den Jungs, fahre dann aber sofort weiter. Ich hatte zwar einen Platz in der Stadt der mir geeignet zum Übernachten aussah, aber nach der Erfahrung mit der Kamera erscheint mir hier nichts mehr sicher. Es ist noch hell genug um die Fahrt zu genießen. Die Landschaft ist einfach klasse.
Weit draußen in der Wildnis wo mich keiner sieht will ich heute stehen. Mitten in den Bergen finde ich eine Wiese und stelle mich so hin, dass ich von der Straße aus nicht zu sehen bin.
Heute gibt es Ibuprofen zum Abendessen (Hinweis an meine Mutter: die Cevapcici habe ich weggeworfen, die waren nicht mehr gut).
Eingestellt von Tom Travel 02:58 Archiviert in Bosnien und Herzegovina Kommentare (5)